Gottesdienst Predigt 02.12.2018

Predigt zu Matthäus 21,1–11 – Pastor Henning Hinrichs

 

 

 

 

 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde,
das Schönste für mich an der Adventszeit sind nicht die Kerzen, nicht der Adventskalender mit Schokolade oder was auch immer, es sind die Lieder. Sie kommen noch nicht so hochjubenld daher wie manche in der Weihnachtszeit, sie haben so eine elegante Würde, als wenn sie singend schreiten würden, noch auf dem Weg, noch nicht angekommen sind. Aber was sie besingen kommt. „Macht hoch die Tür“ ist so, oder „Es kommt ein Schiff geladen“, „Mit Ernst, o Menschenkinder“ und schließlich das wunderbare „Wie soll ich dich empfangen.“

„Wie soll ich dich empfangen / und wie begegn ich dir, / o aller Welt Verlangen, / o meiner Seelen Zier?“ – Die Seele läuft umher wie ich, wenn ich Gäste erwarte, von denen ich nicht so recht weiß, ob es ihnen bei mir gefallen wird. Ich weiß, wie nobel sie selbst leben, und nun kommen sie in unser Pfarrhaus, in dem alles so zufällig eingerichtet ist, wo man in Ecken immer eine Socke findet, die unsere Kinder dort haben liegen lassen, …und ist wirklich auch unter den Schränken Staub gewischt, habe ich daran gedacht?
Es ist die Aufregung des Kleinen, sich klein Fühlenden vor dem Großen. O aller Welt Verlangen - und dieses Riesenhafte soll zu mir kommen, in meine kleine Seele, unaufgeräumt, vielleicht gar nicht so edel, einfach nur Ich.

Der heutige Predigttext, den wir eben schon gehört haben, spricht von diesem Riesenhaften, nach dem sich alle sehnen. „O aller Welt Verlangen.“ In bunten Farben wird seine Ankunft beschrieben, mit einem königlichen Empfang, einem lauten, fröhlichen Empfang, der aber - und vielleicht haben Sie da auch gestutzt beim Hören – so gar nicht in diese Vorweihnachtszeit passt, in der wir uns befinden.
Dieser Empfang ist ja eigentlich verortet in der Passionszeit vor Ostern, Jesu Einzug in Jerusalem am so genannten Palmsonntag führt ihn direkt zu seiner Kreuzigung am Karfreitag, nur fünf Tage später. Dieser Empfang wirkt hier irgendwie deplatziert wirkt, oder?
Zu den Vorboten von Weihnachten gehören da doch eher Engel, die Weisen aus dem Morgenland, Spekulatius und Lebkuchen, Weihnachtsmärkte und eben auch Kerzen, der Adventskalender mit Schokolade oder was auch immer. Wir bewegen uns auf die Geburt Jesu zu, im Text bewegt sich Jesus auf seinen Tod zu. So erwachsen passt Jesus nicht in diese Zeit.

„Ich lag in schweren Banden, / du kommst und machst mich los; ich stand in Spott und Schanden, / du kommst und machst mich groß.“
Komisch. Das Advents-Lied „Wie soll ich dich empfangen“ spricht genau von dem, was Jesus selbst erleiden musste – nach diesem phänomenalen Empfang. Spott, Schande, Leid, Not. Keine gemütliche Vorweihnachtsstimmung. Stattdessen das Leben von seiner harten Seite. Das sind auch die Adventslieder. Manche.
Vielleicht gehören ja die Passions- und die Adventszeit doch enger zusammen. Und was an diesem glorreichen Einzug eben doch in die Adventszeit passt, das ist ja das Warten, die Erwartung, die Sehnsucht auf ein friedliches, freies, gutes Leben. Das gehört in die Advents- ebenso wie in die Passionszeit. Dass all das Schlimme endlich überwunden wird und Leben einfach nur gut, ganz und gar gut ist.
Beide haben deshalb die Farbe Violett hier am Altar und an der Kanzel, die Farbe der Umkehr, Buße und Besinnung. Sie ist die Farbe des Übergangs, die auch für Verwandlung und Neubeginn steht.

Aber wann beginnt der Neubeginn? Oder wie die Menschen damals fragen würden: Wann kommt der Messias? Er wird doch kommen, er muss doch kommen - der Befreier aus diesen schwer zu ertragenden Verhältnissen, aus Elend, Krankheit und Not.
Ist das nicht die Erlösungshoffnung eigentlich jedes Menschen, der Ohnmachtserfahrungen kennt, wenn man merkt, dass wirklich nichts mehr geht – diese Sehnsucht nach einem Helden, einem, der alles wieder geraderückt.
Und ist das nicht die Hoffnung, die am leichtesten getäuscht werden kann, gerade weil der Gläubige eigentlich nichts mehr entgegensetzen kann, weil er ja schon am Boden liegt.

Das war schon zu Zeiten Jesu so, dass mehrere Messiasse auftragen, denen man immer wieder Zuneigung, Geld, Gefolgschaft zu Füßen gelegt hatte. Oder später Anführern und Gurus irgendwelcher Glaubensrichtungen, mögen sie noch so abstrus sein. Und das passiert immer wieder. Als ich hier anfing, wurde Barack Obama geradezu zum amerikanischen Messias erhoben, acht Jahre später war es Donald Trump, nur nun eben von ganz anderen Leuten. Und beides ist in ihren Hoffnungen lächerlich, welchem politischen Lager man auch angehören mag. Es ist schon immer lächerlich gewesen.
Der Einzug Jesus als „Sohn Davids“ spielt auf eine alte Hoffnungsgeschichte an: Auch da gibt es einen Esel und einen Einzug in Jerusalem. Während damals vor Jahrhunderten König David in seinen letzten Tagen weder leben noch sterben kann, entbrannte ein erbitterter Machtkampf um seine Nachfolge. Alles, was Rang und Namen hat, war am Hofe. Jeder wollte der neue König werden. Schließlich setzte David noch zu Lebzeiten seinen Sohn Salomo zum König ein. Er ließ seinen Esel aus dem Stall holen und auf diesem königlichen Maultier Salomo in Jerusalem einziehen. Und das Volk vestand diese Symbolhandlung und jubelt ihm zu: „Es lebe der König Salomo!“ Und was für ein König Salomo wurde: er brachte tatsächlich Frieden und Gerechtigkeit.

Diese alte Geschichte prägte die jüdische Hoffnung. Eines Tages wird einer wie Salomo kommen, „ein Gerechter und ein Helfer“, wird als wahrer Davidssohn auf einem Esel in Jerusalem einziehen, die Unterdrückten befreien und Frieden und Gerechtigkeit aufrichten.
Als Jesus einzieht, ebenso, ist das wie ein Beweis. Er ist der wirkliche Messias.
Und wir heute? Worin wird diese Sehnsuchtsgeschichte auch zu unserer Sehnsuchtsgeschichte?
„Ich lag in schweren Banden, / du kommst und machst mich los; ich stand in Spott und Schanden, / du kommst und machst mich groß.“
Woran erkennt dieses Lied den Messias, die begründete Hoffnung?
Das Kleinsein und das Kleinmachen haben ein Ende. Die aufgeregte Seele merkt, dass sie gar nicht aufgeregt herumwuseln und gegen die eigene Unsicherheit anputzen muss, sich herausputzen muss. Aller Welt Verlangen wird meine Zier. Das Riesige kommt zu mir Kleinem. Schönheit und Glanz legen sich auf mein Leben.
Es gibt viel zu viele Menschen, die Tag für Tag vor dem Spiegel stehen und den Daumen nach unten halten, die sich nichts zutrauen, sich nicht schön oder nicht genügend finden. Es gibt viel zu viele Menschen, die meinen, unter der Last ihrer Aufgaben zu scheitern, zu viele, die ihre Maske des Erfolgs hochhalten und daran ausbrennen.
„Du kommst und machst mich groß.“ Du kommst und machst mich groß, dem Leben und dem Leiden standzuhalten; groß, immer wieder auf die Kraft der Liebe zu vertrauen und vor allem die Sehnsucht nach dem Leben nie zu verlieren. „Du kommst und machst mich groß.“
Das ist übrigens etwas anderes als „Make Amerika great again“ – weil es kein Großmachen auf Kosten anderer, in Abgrenzung zu andern ist. Der wirkliche Messias kann das ohne andere zu opfern und klein zu machen. So wie Salomo. Er gibt da, wo nichts ist, nimmt nichts weg, er opfert sich am Ende lieber selbst.
Das Schönste für mich an der Adventszeit sind die Lieder. Wer sie singt, übt zu hoffen, zu erwarten, der ist schon selbst auf dem Weg. Also:
„Das schreib dir in dein Herze, / du hochbetrübtes Heer,
bei denen Gram und Schmerze / sich häuft je mehr und mehr;
seid unverzagt, ihr habet / die Hilfe vor der Tür;
der eure Herzen labet / und tröstet, steht allhier.“
Und der Friede Gottes, der größer ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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