Gottesdienst Predigt 30.03.2018

Predigt zu Lukas 23,33 – 49 - Pastor Henning Hinrichs

  


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde,
in diesen letzten Tagen ist mir das Kreuz Christi, sein Tod am Kreuz, in einer Geschichte begegnet ist, die in den letzten Tagen in ganz Europa Menschen bewegt hat. Dass es mir nicht allein so ging, dass ich das Kreuz in dieser Geschichte gesehen habe, habe ich gestern Morgen in der Online-Ausgabe der BILD-Zeitung gelesen. Da heißt es: „POLIZIST OPFERTE SICH FÜR GEISEL - Der Held aus Frankreich erinnert uns an Ostern. Ein Mann liefert sich als Geisel aus, um andere zu retten. Er opfert sich für Fremde und wird völlig ohne Schuld getötet... Diese Geschichte ist brandaktuell und spielt in Frankreich. Sie ist aber auch 2000 Jahre alt und der Grund dafür, warum wir am Wochenende Ostern feiern… Vielleicht scheint es vermessen, von hier einen Bogen zu schlagen zum christlichen Glauben und zu Ostern. Doch das Opfer von Arnaud Beltrame erinnert so eindrücklich an das, was wir Christen von Jesus glauben: Auch er wusste, dass er sterben musste. Er opferte sein Leben, um ALLE MENSCHEN zu retten und zu befreien, um ihnen die Chance auf Vergebung aller Schuld und auf Erlösung zu geben. In der Bibel sagt er: „Niemand liebt seine Freunde mehr als der, der sein Leben für sie hergibt.“ (Joh 15,13) Dieser Vers wird noch heute von Christen zitiert, die in Katastrophen- oder Seuchengebieten ihr Leben für andere Menschen riskieren.“ Soweit die BILD.
Sehr bewegend, das eine wie das andere. Aber wen zu viel Rührung, zu viel Herz aufkommt, meldet sich oftmals der Verstand. Genau wie an den Tod Jesu und seine Interpretation als Opfer für uns alle stellt die Vernunft sofort Anfragen auch an diese Tat in Frankreich. War es gerechtfertigt, sein Leben zu geben für das Leben einer einzigen und dann noch ihm fremden Frau, für die er sich austauschen ließ? Was wird der Trost sein, wenn Beltrames Ehefrau Marielle jetzt ohne ihn leben muss. Wird sie dieses Opfer immer so akzeptieren können?
Oder bei Jesus: Wie kann einer die Erlösung aller erwirken? Ist nicht jeder und jede für sich selbst verantwortlich? Musste es so ein brutales Zeichen sein, dass in vielen Menschen auch Schuldgefühle oder Unverständnis weckt, wenn gesagt wird: weil wir Menschen so gottesfern sind und Erlösung brauchen, musste Jesus sterben. Das dann in dem Satz gipfelt: Auch du hast Jesus ans Kreuz gebracht!
So rattert die Vernunft, und so rattert sie bei Arnaud Beltrame und schon bei der Interpretation des Kreuzestodes Jesu.
Aber hier, am Karfreitag, geht es nicht um Vernunft. Schon der Apostel Paulus stellte fest, dass der Kreuzestod Jesu in den Augen der Vernunft überaus töricht sei. Der Kreuzestod Jesu tut eine – für menschliche Vernunft – geradezu törichte Hingabe an die Schwachheit kund. Durch eine Niederlage, durch den Tod soll etwas bewirkt werden? Siege bewirken etwas, aber doch keine Niederlagen.
Ich frage mich, warum diese Tat von Arnaud Beltrame mich mehr berührt als abschreckt.
Und ich glaube, es liegt darin, dass durch sie eine Sehnsucht zur Sprache kommt, wie sie eigentlich in jedem, auch den Vernünftigen, schlummert, eine Sehnsucht, die, wäre sie erfüllt, die Welt verändern könnte. Die Idee, dass Leben dann möglich ist, wenn Menschen es vor allem schaffen, für andere etwas zu tun. Und ich darauf vertrauen kann, dass andere etwas für mich tun.
Die Vernunft verlangt von jedem einzelnen, selbst Verantwortung zu übernehmen, und das ist auch richtig so. Aber die Vernunft ist tot und kalt, wenn ihr nicht die Liebe an die Seite gestellt wird. Und Liebe ist nie vernünftig, sie ist rosa, blind, überschäumend, ein Band, sie ist in guten wie in bösen Tagen, sie hört niemals auf, schon gar nicht, wenn ihr Gegenüber Schlechtes getan hat oder gar gottlos ist. Liebe gibt, auch wenn sie nichts bekommt. Liebe, die ich selbst verschenke, aber eben auch die, die ich von anderen erhalte.
Das erlebe ich bei Jesus in seinen Worten und Taten und besonders am Kreuz. Als er gerade gekreuzigt war, selbst da, als es so verständlich wäre, sich nur noch um sich selbst zu sorgen, da sagt er diese bekannten Worte aus dem Lukasevangelium: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Sei du bitte für sie da. Sie brauchen Barmherzigkeit, sie wissen es doch nicht besser. Kümmere dich um sie.
Und als der eine Verbrecher, der neben ihm gekreuzigt ist, ihn bittet: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Da sagt Jesus zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Ich nehme dich auch dann zu mir, wie du jetzt schon bei mir bist, auf meiner Seite bist.
Deshalb wird dieser an sich brutale Tod am Kreuz als Tat der Liebe verstanden. Da ist einer, der wirklich ganz und bis zum Ende für andere da ist. Der in seinem ganzen Leben, selbst jetzt durch diesen letzten Gang ans Kreuz, - mag man es als Opfer, als Stellvertretung, als Lösegeld, als Unrecht, als Heldentat oder wie auch immer es gemannt wurde, verstehen: darin zeigt sich seine Liebe zu den Menschen. Das ist nicht vernünftig, es ist Liebe.
Und wie wäre unser Leben, wenn wir das hinbekämen und erleben würden! Das war vielleicht in der selbstlosen Tat von Arnaud Beltrame zu erspüren. Das hat es jemand gelebt, und er ist nicht belohnt worden, für ihn war es am Ende der Tod. Aber seltsamerweise wirkt sein Tod über den direkten Effekt, eine Frau gerettet zu haben, weit hinaus. Sie ist nicht als Hilflosigkeit erlebt worden, sie berührt Menschen und zeigt, wie die gemeinsame, manchmal verschüttete Sehnsucht doch eigentlich aussieht. Das wissen doch Franzosen eigentlich: Einer für alle, alle für einen. Liberté, Égalité, Fraternité - Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit. Und die Liebe – l´amour: „Niemand liebt seine Freunde mehr als der, der sein Leben für sie hergibt.“ Und vielleicht haben sie auch gemerkt, dass die einzelnen Opfer gar nicht so groß sein müssten, wenn mehr Menschen etwas geben würden. Wenn man wieder mehr zusammenrücken würde.
Etwas abzugeben, ist nicht immer Hilflosigkeit. Jesu offensichtliche Schwachheit war keine Hilfslosigkeit. Souverän und aus eigenem Wollen liefert sich Jesus der Ohnmacht und dem Tode aus. Um des Lebens willen war er bereit, sein Leben hinzugeben.
Niemand, kein Vorgesetzter hätte von Arnaud Beltrame diesen Tausch mit der Geisel verlangen können. Sein Bruder sagte: „Obwohl er sicherlich wusste, dass er praktisch keine Chance hat, zögerte er keine Sekunde.“
Und es ist auch nicht so, als wenn Gott als Vater seinen Sohn dazu irgendwie gezwungen hätte sich zu opfern. Das wäre nicht nur brutal, es wäre auch banal und passt nicht zur christlichen Gottesvorstellung. Gott ist ja einer, der sich aber auf dreifache Weise den Menschen zeigt, als Schöpfer, Versöhner und Kraft, als Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Diese drei Erscheinungsformen sind immer ganz Gott und eins. Es macht also gar keinen Sinn sich vorzustellen, dass ein Vater, wie wir ihn kennen, seinem Sohn, also einer ganz eigenen und eigenständigen Persönlichkeit etwas anordnet, was diese Person gar nicht will. Korrekt müsste man sagen: Gott selbst als Sohn geht ans Kreuz aus Liebe. Und so wird er den Tod überwinden.
Das ist die Sehnsucht und die Hoffnung in diesem Weg: das die Liebe den Tod überwindet. Dass Gott und Mensch nun wider ganz nah zusammen gehören.
Die BILD schließt ihren Artikel fast als Predigt, also trete ich ger zurück, und überlasse ihr die letzte Worte:
„Wenn wir am Wochenende Ostern feiern, geht es nicht um Hasen und Schokolade. Ostern – das höchste kirchliche Fest – ist todernst (Karfreitag: Kreuzigung) und unfassbar fröhlich (Ostersonntag: Auferstehung).
Nach allem, was wir über Arnaud Beltrame wissen, war er praktizierender, katholischer Christ. Auf dem Sterbebett segnete ein Pater die Ehe mit seiner Partnerin Marielle Vandenbunder (39). Auch er vertraute also auf die Trost-Botschaft von Jesus Christus: „Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben.“
Und der Friede Gottes, der größer ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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