Gottesdienst Predigt 03.03.2019

Predigt zu Lukas 10, 38–42 – Pastor Henning Hinrichs

 

 

 

 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde,

wenn man häufiger in dieser Gemeinde zum Gottesdienst geht, kann man die Erfahrung machen, dass es nach dem Gottesdienst regelmäßig etwas zu Essen gibt. Im Juni letzten Jahres war es sogar so, dass das an jedem Sonntag so war. Am 1. Sonntag des Monats wurde das 50jährige Jubiläum gefeiert, und der Duft von Bratwurst breitete sich über dem Kirchengelände aus. Am 2. Sonntag war sowieso Gottesdienst für Ausgeschlafene, da gibt es ja immer etwas Warmes. Am 3. wurde unsere Küsterin Frau Lass verabschiedet und am 4. der alte Kirchenvorstand und der neue eingeführt. Und jedes Mal gab es mindestens Schnittchen und die Gelegenheit, noch dazubleiben, sich zu unterhalten, und dabei – ganz wichtig - nicht hungern zu müssen.

Ob sich jemand derer, die genüsslich in die Bratwurst gebissen, Kartoffelsuppe gelöffelt oder die leckeren Schnittchen genossen und sich dabei unterhalten haben, mal gefragt hat, wer das eigentlich alles ermöglicht? War das wichtig für die Anwesenden? Vielleicht auch mal selbst mitzuhelfen?

Das Bistro-Team für die Gottesdienste für Ausgeschlafene jedenfalls hatte eine Zeitlang schon das Gefühl, dass das Essen wie eine Dienstleistung angenommen wird, aber wenig ihrem Verständnis von Gemeinde entsprach, das vermutlich so aussieht: Alle packen an und sind füreinander da. Wer für die anderen arbeit und wer genießt, das wechselt von Zeit zu Zeit.

Die Ironie war für mich, dass das Essen in zwei Räumen stattfindet, die mit Ihren Namen genau auf diese Problematik hinweisen. Die eien arbeiten, die andern genießen. Diese Räume heißen nämlich Marta und Maria. Das sind beides spätere Augenzeugen der Auferstehung Jesu, aber beide sind eben auch durch eine andere Geschichte mit Jesus verbunden. Und die ist heute Grundlage dieser Predigt:

„Als Jesus mit seinen Jüngern weiterzog, kam er in ein Dorf, wo ihn eine Frau mit Namen Martha in ihr Haus einlud. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte ihm zu. Martha hingegen machte sich viel Arbeit, um für das Wohl ihrer Gäste zu sorgen. Schließlich stellte sie sich vor Jesus hin und sagte: »Herr, findest du es richtig, dass meine Schwester mich die ganze Arbeit allein tun lässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!« – »Martha, Martha«, erwiderte der Herr, »du bist wegen so vielem in Sorge und Unruhe, aber notwendig ist nur eines. Maria hat das Bessere gewählt, und das soll ihr nicht genommen werden.«“

Diese Geschichte diente lange Zeit dazu, den Dienst der Hausfrau zu zementieren und auch abzuwerten und den Einsatz des Mannes wertzuschätzen. Der Mann ist der Kopf, die Frau die Hand. Oder losgelöst von den Geschlechtern, hat man den Handwerker geringer geachtet als den Dichter und Denker. Besonders in Deutschland.

Wie oft werden Denken und Tun gegeneinander ausgespielt. Wer ist wertvoller? Der Meister in der Werkstatt oder der frisch gebackene Master aus der Uni? Was ist besser? Brötchen backen oder Worte drechseln? Beton mischen oder an Reden feilen? Auf was und wen kommt es an? Hand oder Kopf? Handwerker oder Wortwerker? Blaumann oder Gelehrtentalar? Maria oder Marta?

»Martha, Martha«, erwiderte der Herr, »du bist wegen so vielem in Sorge und Unruhe, aber notwendig ist nur eines. Maria hat das Bessere gewählt, und das soll ihr nicht genommen werden.«

Jesu Worte klingen, als ob er den Einsatz Martas ebenso geringschätzt. Aber das wäre ja widersinnig. Immerhin lässt er sich von Marta einladen, er wird auch von dem gegessen haben, was Marta da aufgetischt hat und er weiß um die notwendige Versorgung mit dem „täglich Brot“. Immerhin fügt er die Brotbitte nur wenige Sätze später ins Vaterunser ein. Auch Brot, Essen, Trinken, eine gute Atmosphäre sind notwendig zum Wohlbefinden eines Menschen. Um all das sorgt sich Marta. Und hätte Maria mit angepackt, wäre das Räumen und Auftischen, diese Unruhe, von der Jesus spricht, ja auch kürzer gewesen.

Ich glaube, Jesus meint etwas anderes. Martas Dienst ist nicht per se unwichtig, aber er wird es dann, wenn durch dieses Dienen und Rumrödeln übersehen wird und verloren geht, worauf es in diesem Moment eigentlich ankommt. Denn Jesus ist mit einer Absicht in diesem Haus gekommen. Nicht nur für Smalltalk, nicht nur für einen netten Nachmittag. Er will Seelen mit dem Wort Gottes satt und kraftvoll machen. Und seine Zeit ist begrenzt. In dieser sehr begrenzten, wichtigen Zeit ist dann wirklich nur eines notwendig – es ist nicht das Essen, es ist nicht die gute Atmosphäre – die haben ihre Zeit. Jetzt geht es um den Glauben und wie er fest und stark wird.

Wie es eben in der Lesung durchklang: Was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele? Jetzt, bei diesem Besuch geht es um die Seele!

Die richtige Frage ist also nicht „Maria oder Marta“, sondern was verlangt die Zeit von mir jetzt in diesem Moment, was ist jetzt wichtig. Das ist manchmal das Zuhören und reden, manchmal aber auch das Herrichten und Feiern.

Wenn ich die Sätze Jesu lese, spüre ich auch gar nicht einen Vorwurf Jesu, sondern schon eher Mitleid mit Marta, dass sie nicht erkennt, was jetzt wichtig ist. Sie zieht sich zurück auf das, was sie kann, was ihre Rolle ist, aber jetzt geht es um etwas anderes. Nur zusammen sind die beiden Schwestern eigentlich wirklich stark, wenn sie voneinander lernen, was gerade dran ist. Wenn sie an der anderen sehen können, wie und wann man gut arbeiten und für andere da sein kann, genauso wie und wann man zuhören und für sich tun sollte. Wie schön wäre es, wenn beide sich gegenseitig wertschätzen und achten würden, wenn es ein Gleichgewicht gäbe und das Gefühl: Unterschiedliche Gaben, ein Geist!

Der Evangelist Lukas geht es nicht um die Polarisierung zwischen Hören und Tun. Es geht ihm schon gar nicht um das Abwerten des tätigen Dienstes, ganz im Gegenteil: Wie in kaum einem anderen Evangelium spielt bei ihm die Diakonie, der tätige Dienst für andere, eine große Rolle. Für Lukas ist das Hören nicht vom Tun zu trennen. Allein die Geschichte vom barmherzigen Samariter, die Lukas direkt vor der Geschichte von Maria und Marta erzählt, zeigt das. Da sieht man, wie das Hören auf Gottes Wort in die Tat umgesetzt wird.

Marta wird nicht ermahnt, weil sie hauswirtschaftet, sondern weil sie dem eine so hohe Bedeutung beimisst. Das ist ein entscheidender Unterschied! Zurückgewiesen wird nicht, dass Marta sich nach Hausfrauen Art um das leibliche Wohl von Jesus kümmert, zurückgewiesen wird ihre übertriebene Betriebsamkeit.

„Marta machte sich viel zu schaffen.“ Zu viel zu schaffen. Eine solche übermäßige Sorge soll nicht sein, denn sie kann den Blick auf das verstellen, worauf es ankommt: Das Hören auf das Wort. Immer wenn ich mich zu sehr um all die praktischen Dinge sorge, gerät etwas in mir aus dem Gleichgewicht.

Wie wäre es, von Maria zu lernen? Wie wäre es mit weniger Schaffen, Sorge und Stress und mehr Stille und Staunen? Weniger Management und mehr Meditation? Weniger Hetzen und mehr Hören? Etwas weniger Marta und mehr Maria sein: Mehr Raum und Zeit für Gottes Wort. Ärmer und hungriger würde es uns nicht machen. Eher das Gegenteil wäre der Fall.

Und der Friede Gottes….

Amen

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