Gottesdienst Predigt vom 22.01.2017

Predigt zu Johannes 4,46 – 54 (22.01.2017) – Pastor Henning Hinrichs

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde, am letzten Mittwoch bin ich mit ein paar Kollegen über den heutigen Predigttext ins Gespräch gekommen. Einer meinte, dass er hier bei uns sitze, das sei ein Wunder, ein regelrechtes Wunder.
Er war etwa dreieinhalb Jahre alt und lebensgefährlich erkrankt gewesen. Die Ärzte hatten seinen Eltern schon gesagt, dass sie von ihrem kleinen Sohn Abschied nehmen müssten, er würde nicht durchkommen.

Aus der Erinnerung eines dreijährigen, so unwahrscheinlich das auch klingt und vielleicht eher als Phantasiereise damals gedacht, als Bewältigungsstrategie, hatte er Jahre später aufgeschrieben, an was er sich damals, als sein Leben auf Messers Schneide stand, noch erinnern konnte – oder wie er sich diese Zeit jedenfalls vorstellen würde. Und in seiner Erinnerung oder Vorstellung saß da die ganze Zeit ein Mann an seinem Bett, hat mit ihm geredet, gebetet, er habe sich, sagte er, nicht allein gefühlt. Er hat noch weitere Dinge aufgeschrieben, Dinge, die nach Aussage seines älteren Bruders tatsächlich so geschehen waren. Er konnte sich an Wesentliches erinnern, als dreijähriger.
Ein Wunder, dass er hier säße. Er hätte auch tot sein können. Die Ärzte hatten ihn schon aufgegeben. Doch er lebt. Daran musste er denken, als er diesen Predigttext nun mit uns las:

Jesus kam auch wieder nach Kana, jenem Ort in Galiläa, wo er das Wasser in Wein verwandelt hatte. Dort suchte ihn ein Beamter des Königs auf, der in Kafarnaum lebte und einen Sohn hatte, der an einer schweren Krankheit litt. Er hatte gehört, dass Jesus von Judäa nach Galiläa zurückgekehrt war, und bat ihn jetzt, nach Kafarnaum herabzukommen und seinen Sohn zu heilen, der im Sterben lag. »Wenn ihr nicht Wunder und außergewöhnliche Dinge seht, glaubt ihr nicht!«, hielt Jesus ihm entgegen. Aber der Beamte des Königs flehte ihn an: »Herr, bitte komm, bevor mein Kind stirbt!« Da sagte Jesus zu ihm: »Geh nach Hause, dein Sohn lebt ´und ist gesund`!« Der Mann glaubte dem, was Jesus zu ihm sagte; auf sein Wort hin machte er sich auf den Weg hinunter nach Kafarnaum. Er war noch nicht dort angelangt, da kamen ihm seine Diener mit der Nachricht entgegen, dass sein Sohn lebte ´und gesund war`. Er fragte sie, seit wann es ihm besser gehe. »Gestern Mittag um ein Uhr hatte er mit einem Mal kein Fieber mehr«, antworteten sie. Da wusste der Vater, dass es genau zu dem Zeitpunkt geschehen war, an dem Jesus zu ihm gesagt hatte: »Dein Sohn lebt ´und ist gesund`!« Und er glaubte an Jesus, er und alle aus seinem Haus. Dieses Wunder tat Jesus, nachdem er von Judäa zurückgekehrt war, und er bewies dadurch in Galiläa ein zweites Mal seine Macht.

Ähnlich diesem Beamten und Vater wollte mein Kollege auch herausfinden, was damals wirklich geschehen war. Wenn etwas Wunderbares passiert, will der Mensch anscheinend wissen, er will wissen, warum das so passiert ist, wie es passiert, und vor allem, ob das auch wirklich ein Wunder ist – oder bloßer Zufall. Kann ja auch sein. Deswegen geht der Vater, als er zuhause ist und seinen Sohn nicht nur lebendig, sondern sogar gesund vorfindet, gleich los, um die genaue Uhrzeit zu erfahren, wann er gesund wurde. Und er erfährt: genau zu dem Zeitpunkt, an dem Jesus sagte: »Geh nach Hause, dein Sohn lebt ´und ist gesund`!«

Es ist schon komisch. Er hat den Glauben, Jesus nach dessen Worten »Geh nach Hause, dein Sohn lebt ´und ist gesund`!« nicht etwa wie einen Arzt mit sich zu zerren, damit Jesus vor Ort etwas tun kann, ihn weiter zu nötigen, doch mit ihm nach hause zu kommen. Nein, er vertraut Jesus und geht los, weg von Jesus hin zu seinem Sohn, ganz ohne Zweifel. Und dann scheint da doch noch Zweifel zu sein, bei der Kontrolle besser ist als bloßer Glaube. Ist da wirklich ein Wunder geschehen?

Mehr spricht jedenfalls immer gegen Wunder. Ein anderer Kollege hat heute eine Familie im Gottesdienst, die ihr Kind verloren hatte, wo kein Flehen und Bitten, anscheinend auch kein Beten geholfen hatte, die Krankheit des Kindes einzudämmen. Und er fragte sich, ob er diesen vorgeschriebenen Predigttext überhaupt nehmen könne, da er doch so sehr gegen die Erfahrung dieser Familie stünde, sie vielleicht nur weiter aufwühlen würde. Warum nicht auch unser Kind?

Und ein dritter Kollege versuchte diesen Widerspruch zwischen den biblischen Wundergeschichten und unserer so wunderarmen Zeit aufzulösen, indem er meinte, na ja, es sei doch vielleicht eher schon das Wunder, dass Menschen trotz solcher Verluste wieder Mut schöpfen, irgendwann wieder lachen könnten. Ein vierter, dass die Worte: Er lebt vielleicht für diese Familie heißen könnte: jetzt nach dem Tod bei Gott.
Für den Evangelisten Johannes stellt sich gar nicht unsere moderne Frage: Gibt es Wunder oder was ist ein Wunder oder warum nicht bei mir? Und  wenn sie mir nicht passieren, gibt es sie dann vielleicht gar nicht? Jesus ist der Messias, Gottes Sohn. Natürlich kann er das, Menschen heilen, sogar vom Tode retten, er ist Gottes Sohn – das will Johanne ja diese ganze Zeit zeigen. Und wer ihm begegnet, dem begegnet die Fülle des Lebens, also auch Wunderbares. Keine Frage, eher komisch das anzuzweifeln.

Die für ihn allein wichtige Frage ist die, die sich im Hin und Her des königlichen Beamten und Vaters zeigt: Wie bekommst du es hin zu glauben, Gott dein Leben in die Hand zu legen und von ihm alles zu empfangen, das in deinen Augen Gute und deiner Meinung nach Schlechte, alles so hinzunehmen, wie es ist und in allem zufrieden zu sein. Das heißt glauben - und zwar nicht bloß an Wunder, sondern an den, der Wunder tut, viel wichtiger: der Gottes Sohn ist. Diesen Glauben, dieses Vertrauen in Gott wichtiger zu nehmen als das, was um dich herum und an dir passiert.
Der Beamte hatte gehört, dass Jesus von Judäa nach Galiläa zurückgekehrt war, und bat ihn jetzt, nach Kafarnaum herabzukommen und seinen Sohn zu heilen, der im Sterben lag. »Wenn ihr nicht Wunder und außergewöhnliche Dinge seht, glaubt ihr nicht!«

Wie hören Sie den Satz »Wenn ihr nicht Wunder und außergewöhnliche Dinge seht, glaubt ihr nicht!«? Vorwurfsvoll? Dann wäre Jesus vielleicht genervt vom Zweifel dieses Mannes, aus dem ja eigentlich der Wunderglaube erwächst, irgendwie doch einen Beweis, etwas Sichtbares an die Hand zu bekommen, das den Glauben begründet und Gott mit großes Getöse beweist.
Und heilt er das Kind dann, um diesen aufdringlichen Mann endlich los zu werden oder wie ein gequälter Vater, der seinem Sohn Dinge verbietet, die er nicht gut findet, und der Sohn quengeln und schreit, immer weiter, bis der Vater mürbe ist und es doch erlaubt, nur um seine Ruhe zu haben?

Oder hören Sie den Satz als bloße Feststellung? So sind Menschen, das ist nicht gut oder schlecht, es ist wie es ist. Menschen fällt es schwer, ohne Außergewöhnliches zu glauben, sie werden durch Fantastisches beeindruckt. Dann würde Jesus ihm Beeindruckendes geben. So ein bisschen Show, Hauptsache das Ziel ist erreicht: ein Mann und sein ganzes Haus glaubt.

Oder hören sie den Satz mit traurigen Worten? Jesu Mitleid über die menschliche Unfähigkeit, hinter den Dingen, hinter allen Dingen Gottes Wirken sehen zu können, seine Trauer über unser Strampeln nach Glück?
Beeindruckt hat mich mein Kollege von Beginn, der dann während der Diskussion irgendwann sagte, es sei ihm eigentlich völlig egal, wie dieser Satz zu verstehen, was denn nun das Wunder sei, Heilung oder Trost oder welche Texte man eigentlich zumuten dürfe.

Es gebe für ihn nur eines: Er lebe, und das habe ihm dieser Text wieder in Erinnerung gerufen. Er lebt – und das sei das Wunder. Und das wolle er letztlich nicht deuten, rationalisieren, hinterfragen, er wolle vertrauen, glauben und dankbar das leben, was ihm geschenkt wurde. Und das gelte doch eigentlich für jeden Menschen, auch wenn kein überwältigendes Wunder passiere. Er traue sich das ja kaum zu sagen, aber gelte das nicht auch auch für die Familie mit dem Kind, das sie verloren hatten? Nur anders, ganz anders als bei ihm. Vielleicht bestehe die Kunst ja nicht darin, sich mit anderen zu vergleichen, Gleiches zu erwarten, dort wurde ein Kind gerettet, hier nicht,  sondern im eigenen Leben das Wunder zu entdecken - auch wenn es manchmal sehr schwer ist. Vertraue Gott und du lebst dein Leben als Geschenk.
Das Widersprüchliche an dieser Wundergeschichte, die eigentlich eine Glaubensgeschichte ist, lässt sich eben nur persönlich auflösen.  Was gibt mir Vertrauen, was gibt mir Hoffnung: die Heilung? das beharrliche Flehen des Vaters? Jesu entgegenkommende Worte? die Beweisführung?

Jesus kam auch wieder nach Kana, jenem Ort in Galiläa, wo er das Wasser in Wein verwandelt hatte. Dort suchte ihn ein Beamter des Königs auf, der in Kafarnaum lebte und einen Sohn hatte, der an einer schweren Krankheit litt. Er hatte gehört, dass Jesus von Judäa nach Galiläa zurückgekehrt war, und bat ihn jetzt, nach Kafarnaum herabzukommen und seinen Sohn zu heilen, der im Sterben lag. »Wenn ihr nicht Wunder und außergewöhnliche Dinge seht, glaubt ihr nicht!«, hielt Jesus ihm entgegen. Aber der Beamte des Königs flehte ihn an: »Herr, bitte komm, bevor mein Kind stirbt!« Da sagte Jesus zu ihm: »Geh nach Hause, dein Sohn lebt ´und ist gesund`!« Der Mann glaubte dem, was Jesus zu ihm sagte; auf sein Wort hin machte er sich auf den Weg hinunter nach Kafarnaum. Er war noch nicht dort angelangt, da kamen ihm seine Diener mit der Nachricht entgegen, dass sein Sohn lebte ´und gesund war`. Er fragte sie, seit wann es ihm besser gehe. »Gestern Mittag um ein Uhr hatte er mit einem Mal kein Fieber mehr«, antworteten sie. Da wusste der Vater, dass es genau zu dem Zeitpunkt geschehen war, an dem Jesus zu ihm gesagt hatte: »Dein Sohn lebt ´und ist gesund`!« Und er glaubte an Jesus, er und alle aus seinem Haus.

Für mich ist der entscheidende Moment der, in dem der Vater losgeht. Das möchte ich auch können. Auf ein Wort Gottes  hin losgehen und mein Leben leben. Den Zuspruch Gottes hören und losgehen, aufbrechen, ohne jetzt schon zu wissen, was mich dort irgendwo und irgendwann erwartet. Aber in allem getragen von diesem Zuspruch, so wie von dem Taufspruch von Benedikt: Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.

Dieses Getragen werden sieht manchmal anders aus als ich mir das vorstelle. Manchmal geschieht für mich ein Wunder, oft genug auch nicht, oder vielleicht entdecke ich es auch nur nicht, weil meine Erwartungen ganz andere sind. Manchmal ist für mich das Wunder eine Heilung, manchmal Trost, manchmal das Leben nach dem Tod, manchmal nur eine Ahnung, ein Gefühl von mehr.

Aber letztlich hängt Glaube nie an Wundern. Sie sind ein Hilfsmittel, mehr nicht, jedenfalls für den Evangelisten Johannes. Entscheidend ist mein Vertrauen, mein Glaube an Jesus Christus und in ihm an Gott. Wie ich aufbreche in mein Leben, mit welchen Hoffnungen und Herzensvorräten, lebenswichtigen Glaubenssätzen. Und dann, und dann gehe ich los.

Und der Friede Gottes, der....
Amen.

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