Gottesdienst Predigt 31.12.2017

Predigt zur Jahreslosung 2018: Offb 21,6   -  Pastor henning Hinrichs und Vikarin Nina Junghans

 

Hinrichs
Liebe Gemeinde,
es kommt immer wieder vor, habe ich in einem Artikel gelesen, dass Leichen von Touristen im kalifornischen Joshua-Tree-Nationalpark gefunden werden. In den Sommermonaten kommen sie binnen weniger Stunden bei Temperaturen über 40 Grad in der Wüstenlandschaft ums Leben. Sie verdursten. Das ist sicher ein Extremfall. "Ein junger, gesunder Mensch wird ohne Flüssigkeit ungefähr drei bis vier Tage durchhalten", schreibt der Arzt Anton Lugeraus Wien.
Interessant für mich war, als ich den Bericht gelesen habe, dass die eigentliche Todesursache eine innere Vergiftung ist. Denn besteht ein akuter Flüssigkeitsmangel, können die Nieren nicht arbeiten. "Die körpereigenen Gifte greifen alle Organe an, folglich kommt es zu einer inneren Vergiftung", erklärt Luger.
In unserer Gegend kennt man das ja gar nicht mehr, Durst zu haben. In unserer Sprache gibt auch kein Wort dafür, keinen Durst zu haben. Vielleicht weil man keinen Durst zu haben nicht spürt, Durst zu haben aber schon. Der Mensch muss trinken, sonst stirbt er.
Die Jahreslosung für das Jahr 2018 kennt diese menschliche Notwendigkeit, die Notwendigkeit nach Wasser, und verbindet sie mit Gottes Wirken. Sie lautet: Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.
Prüfungsfrage an die Vikarin: Wo steht die Jahreslosung?

Junghans
Ha, weiß ich. Diese Jahreslosung steht in der Offenbarung des Johannes. Ganz am Ende der Bibel im letzten Buch. Johannes sitzt auf der griechischen Insel Patmos im Gefängnis, als Gott ihm einen Blick in die Zukunft schenkt. Die Zukunft, von der wir in der Lesung gehört haben. Alles wird anders. Gott und Menschen werden gemeinsam auf der Erde wohnen. Es wird keine Trauer, kein Leid, keinen Schmerz mehr geben. Auch der Tod ist dann nicht mehr. Alles ist dann neu.
In diesem Moment gibt Gott sich Johannes zu erkennen als das A und das O, der Anfang und das Ende und er versichert ihm: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.
Bei mir ist das auch so. Ich kenne eigentlich keinen Durst. Zuhause plätschert das Wasser aus dem Wasserhahn. Zu jeder Zeit. Und auch unterwegs kann ich in vielen Läden etwas zu trinken kaufen. In Italien etwa haben Orte Trinkwasserstationen in ihren Parks, am Bahnhof, so dass für ausreichend Trinkwasser gesorgt ist. Wirklichen Durst erfährt man nur an extremen Orten, wie der Wüste im Joshua-Tree-Nationalpark in deinem Beispiel vorhin.
Ich kann mir leicht vorstellen, dass Johannes im Gefängnis oft genug Durst hatte. Im Gefängnis war das Wasser rationiert. Zudem dürstete es ihn vermutlich noch nach deutlich mehr als Wasser. Johannes war ja für seinen Glauben an Jesus Christus im Gefängnis. In dieser Situation sehnte er sich sicher nach seiner Freiheit, nach Gerechtigkeit und nach Hoffnung auf Veränderung.
So weckt dieser Text bei mir eine ganz persönliche Frage: Wonach dürste ich? Was ersehne ich, ja was brauche ich, um mich lebendig zu fühlen? Was ist es, dass Gott mir geben kann? Diese Fragen stellen sich mir anhand der Jahreslosung. Wie ist das bei dir, Henning?

Hinrichs
Hm, nur nach dem zu fragen, was ich brauche, erfasst für mich nicht die Größe der Vision. Das kann ich in einer Silvesternacht machen anhand von 10 guten Vorsätzen für 2018. Aber bei Johannes geht es ja um eine komplette Umwälzung der Welt, wie wir sie kennen. Wie du schon sagtest: Alles wird anders.
Hier geht es doch um alles oder nichts. Johannes sieht in seiner Vision die Welt, wie Gott sie für uns Menschen will und wie sie wohl nur mit Gott verwirklicht werden kann: kein Leid, keine Gewalt, kein Tod mehr, stattdessen: ein Leben mit Gott.
Johannes Vision erinnert mich an die Utopien, die Menschen entwickelt haben vom perfekten Zusammenleben aller. Und wie alle Utopien, zuletzt die kommunistische Utopie, ließen sie sich nicht verwirklichen, weil Menschen sie benutzt haben, um andere Menschen zu unterdrücken oder auszubeuten. Und doch sind Utopien nicht überflüssig, weil sie unserem Handeln hier und jetzt eine Richtung geben.
Meine Frage ist also nicht oder nicht nur, was ich brauche, sondern auch, was ich tun kann, wie ich Teil dieser Vision sein kann. Wenn Gott den Durstigen gibt, und dann auch noch umsonst, also ohne etwas dafür zu verlangen, was heißt das für mich? Was kann ich geben, damit Menschen leben können? Meinen Freuden und meinen Feinden, den Menschen hier und in der Welt - vielleicht werden Trauer, Leid, Schmerz und auch der Tod wenigstens etwas weniger, wenn ich mich für eine gerechtere und menschlichere Welt einsetze- und das heißt für mich nach diesen Jahreslosung: einer Welt, wie Gott sie will.
Aber jetzt würde mich doch mal interessieren, was du denn brauchst, was Gott dir geben kann?

Junghans 
Tja, ich erwarte da keine Handlungsanweisung. Wenn Gott mir sagt, er gibt mir etwas umsonst; ja er schenkt mir etwas, dann denke ich nicht gleich über ein Gegengeschenk nach.
Klar ist es schön auch ein Geschenk zurück zugeben. Ich schenke anderen Leuten gerne was und freue mich dann, wenn das Geschenk gut ankommt. Aber für mich ist das erst der zweite Schritt.
Vorher bin ich gespannt auf das mir angekündigte Geschenk. Gott hat sich ja was gedacht mit seinem Geschenk. Dem möchte ich gerne auf die Spur kommen. Auch um dieses Geschenk zu würdigen.
Wonach dürste ich? Das ist keine Frage, die ich leicht beantworten kann. Ich denke, ich dürste nach Harmonie. Ich bin jemand, der zwar streiten kann, der Streit aber hasst. Daher bin ich meistens die, die auf die andere Partei zugeht und versucht, den Streit zu beenden. Oder vorher alles versucht um den Streit zu verhindern. Wenn mir etwas nicht wichtig ist, dann gebe ich gerne nach.
Diese Harmonie wünsche ich mir nicht nur für mich, sondern für die ganze Welt. Diese ganzen schlechten Nachrichten von Krieg und Terror machen mich traurig. Daher dürste ich wohl nach einem wirklichen Happy End für alle Menschen.
Ich könnte meinen Durst im himmlischen Jerusalem stillen. Denn Johannes malt eine Vision voller Frieden und Gerechtigkeit. Zwar nur für alle gläubigen Christen, aber immerhin. Das wären momentan 2,2 Milliarden Menschen.
Ich glaube die Vision des Johannes hat den Lesern viel zu bieten: eine neue Welt ohne Hunger und Durst, heile Natur, Frieden, Gerechtigkeit, Zusammenleben von Auferstandenen und Lebenden…
Da vermag so mancher Durst gestillt zu werden. Auch der von Johannes nach Freiheit und Gerechtigkeit.
Ja, das wäre womöglich Gottes Geschenk an mich. Jetzt würde mich aber interessieren, was du ihm zurück schenken würdest.

Hinrichs
Ja, ich finde, du hast schon recht, wenn du sagst, dass mein Handeln immer der zweite Schritt ist. Erst einmal bekomme ich etwas geschenkt. Jetzt am letzten Tag im Jahr des Reformationsjubiläums passt das gut, sich darauf zu besinnen, was evangelischen Glauben im Kern ausmacht: Gott liebt mich zuerst, vor allen meinen Taten und auch ohne sie. Und wenn ich diese Liebe spüre, dann sprudeln die Taten schon von selbst. Das ist wichtig, wenn man sich seine 10 guten Vorsätze für 2018 fasst oder auch sonst Gutes tun will. Auch sie entscheiden nicht, ob ich nun wertvoll bin oder nicht.
Mein Gegengeschenk? Eigentlich ganz einfach und doch manchmal so schwer: Mein Glaube, mein Vertrauen, dass Gott mich liebt und hält, in jeder Situation, und das ich aus dieser Liebe heraus das Richtige für mich und für diese Welt tun kann und werde - mal mehr, mal weniger. Mein Glaube ist das, was Gott zu allererst will. Und Glaube ist Vertrauen in Gott.
Angesichts einer Welt, in der so viel zu tun ist, um sie am Leben zu erhalten: wie kann eine Landwirtschaft aussehen, die Erträge nicht auf Kosten von Insekten und anderen Pflanzen und unserer Gesundheit erwirtschaften, wie bekommen wir die Verpackungsmisere hin, die Meere mit Plastik überschwemmt, die über die Fische, die wir essen, wieder bei uns, jetzt in unseren Körpern landen, wie bekommen wir die politischen und religiösen Konflikte in den Griff, die Gesellschaften sprengen können und und und – das sind ja nicht nur weltpolitische Themen, sondern Themen, die auch hier vor Ort gelebt und erlitten werden, für die man sich ganz persönlich einsetzen kann und muss – angesichts all dieser Themen würde ich nicht in das neue Jahr gehen können ohne Glauben, das Vertrauen in Gott und sein Wirken.
Er nimmt mir mein Leben und mein Tun nicht ab, aber er durchwirkt es, setzt sich manchmal neben mich und spielt meine Lebensmelodie mit. Das ist mein erstes Gegengeschenk: Glaube
Hilfreich in allem Tun finde ich übrigens diesen Text von Bernhard von Clairvaux:
Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während jene wartet, bis sie gefüllt ist. Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter.
Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen und habe nicht den Wunsch freigiebiger zu sein als Gott. Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird sie zur See. Du tue das Gleiche! Zuerst anfüllen, und dann ausgießen.
Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt überzuströmen, nicht auszuströmen. Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst. Wenn du nämlich mit dir selber schlecht umgehst, wem bist du dann gut? Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle, wenn nicht, schone dich.
Dann wird das neue Jahr auch ein frohes neues Jahr.

Junghans
Amen.

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