Gottesdienst Predigt 17.06.2018

Predigt zu Micha 7,18 – 20 – Pastor Henning Hinrichs

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
Wieso ist man beim Hörern des Gleichnisses so viel mehr auf der Seite des verlorenen und heimkehrenden Sohnes und vergisst fast, dass da ja noch ein anderer Sohn ist, der nicht weggegangen war und der jetzt vor Wut schnaubt!? Warum denkt die Mutter jeden Tag an den Sohn, zu dem der Kontakt schon vor Jahren abgerissen ist, aber die Tochter, die sich all die Jahre liebevoll gekümmert hat, geht ihr manchmal auf die Nerven?
Das Verlorene, insbesondere die misslungene Beziehung beschäftigt Menschen manchmal mehr als das, was vor Augen und was gut ist. Nichts fehlt so, wie der Mensch, den ich vermisse!
Hätten sich Romeo und Julia gekriegt, wäre aus ihnen nur eine von vielen Teenager-Lieben geworden, die sich vielleicht irgendwann von selbst erledigt hätte. Aber so! Drama, Tragik, ihre Geschichte unsterblich im Scheitern.
Und Gott - es scheint ihm nicht viel anders mit uns Menschen zu gehen! Immer wieder sprechen die Propheten von der großen Sehnsucht Gottes nach seinem Volk, nach den Menschen, die doch sein Ebenbild sein und so leben sollen. Immer wieder fällt dieser Gott der Liebe auf seine eigene Liebe herein, denn obwohl es die Menschen offensichtlich nie hinbekommen haben, seinen Vorgaben eines friedlichen und harmonischen Lebens umzusetzen und sich an Gott auszurichten – Gott liebt die Menschen, immer wieder, immer noch, Liebe unsterblich – selbst im Scheitern der Menschen!
Da gibt es immer noch und immer wieder Hunger und Not, Krieg und schreiende Ungerechtigkeit, und auch die kleine Hölle in unseren Wohnzimmern, die wir einander ganz alltäglich bereiten.
Und trotzdem immer wieder Neuanfänge, immer wieder himmlische Geduld, immer wieder eine neue Chance, selbst dort, wo Menschen sich das selbst nicht mehr einräumen würden! Wo fast überwunden doch wieder das Ich-zuerst und das Wie-du-mir-so-ich-dir herrschen.
Aber Gott verzeiht. Gott liebt.
Und so heißt es beim Propheten Micha: Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schulden denen, die übriggeblieben sind von seinem Erbteil, der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er ist barmherzig! Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und all unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. Du wirst Jakob die Treue halten und Abraham die Gnade erweisen, wie du unseren Vätern vorzeiten geschworen hast.
Gott liebt und Micha staunt. Das bedeutet auch sein Name. „Micha“ ist die Kurzform von „Michajahu“ oder für uns bekannter Michael – und das heißt:
„Wer ist wie Gott?“ Das ist keine sachliche Frage, sondern Ausdruck tiefen Staunens. Hier wird der Name des Propheten zum Programm.
Man staunt ja, wenn etwas passiert, dass so überhauet nicht zu erwarten war. Und so ging es Micha. Gott gibt. Er ver-gibt. Er lässt sich auf seine Güte festnageln. Es gibt keine größere Liebe. Paradoxerweise gilt: Niemand ist menschlicher zu uns als Gott (Calvin).
Vor diesem Staunen musste er auch viel vom Zorn Gottes weitersagen. Zorn über die Taten der Menschen und deren Folgen. Wenn von Gottes Zorn geredet wird, und bei den Propheten wird viel davon geredet, ist er nicht willkürlich oder kopflos. Er ist berechtigt.
Weil Gott sein Volk liebt, muss er auf das hinweisen, wo Untreue, Neid, Egoismus, Lügen, Ungerechtigkeit wachsen. Gott sagt deutlich: „Das entspricht nicht meinem Willen. Lasst das!“ Gelernt haben Menschen, wenn überhaupt, oftmals nur 5 vor 12 , manchmal erst im Scheitern, in Schmerz und Untergang – und in der Erfahrung, dass es weitergeht. Auch mit und durch Gott weitergeht.
Und so staunt Micha. Es gibt keinen Anlass zur Liebe, und Gott liebt. Es gibt keinen Grund für Hoffnung und Gott schenkt Kraft, es gibt nichts mehr und Gott schenkt alles. Wer ist wie Gott!? Niemand ist menschlicher zu uns als Gott.
Das will die Geschichte vom verlorenen Sohn erzählen. Der liebende Vater steht für Gott, der den Sohn, der alles verprasst hat, wieder aufnimmt.
Aber es gibt auch noch den anderen Sohn. Den, der zuhause geblieben war und alles gemacht hat, was zu tun war, pflichtbewusst und verlässlich. Und der jetzt, weil er diese Liebe einfach nicht versteht, wütend, vielleicht neidisch ist. Wird er auch zum Fest gehen? Das wird ja nicht erzählt. Wo ist er, wenn gegessen und gefeiert wird?
Der Vater liebt beide Söhne. Keiner von beiden kann an diese Liebe Bedingungen stellen. Der Ältere nicht durch Arbeit und der Jünger nicht, durch sein Schuldbekenntnis. Die Lieb des Vaters bleibt – auch wenn der ältere Sohn, der zuhause bleibt, das nicht immer so merkt.
So liebt Gott auch uns. Er liebt uns nicht, weil wir etwas für diese Liebe getan haben. Er liebt uns ganz einfach, weil wir seine Kiner sind. Und was den Ausgang der Geschichte angeht: Ich wünsche es mir, dass auch der ältere Sohn sich aufs Fest ziehen lässt. Und da wird er uns dann hoffentlich auch treffen.
Das ist Gottes Charakter. Das Leben mit ihm wirkt sich auf unseren Charakter aus. Fromm und rechtschaffen, treu und fair, das können Menschen aus eigener Kraft nur sehr begrenzt sein. Wo ich über Gottes Gnade staune, sie selbst brauche und annehme, da lerne ich, so zu leben, wie er es vorgesehen hat.
Es ändert sich etwas bei mir in der Sichtweise, im Handeln. Es gilt: Wie Gott mir, so ich dir.
Ich glaube, anders als wir, ist Gott nicht zwanghaft auf das Misslungene fixiert. Er braucht nicht die. Menschen faszinieren die Helden, die scheitern, und auch das Happy End, das bei vielen Filmen so sicher wie das Amen in der Kirche kommt, aber Gott? - Das gehört zu den unergründlichen Geheimnissen Gottes: Gott ist so stark in der Liebe, dass er selbst schwach wird! Er wirft regelmäßig seine Bedingungen über Bord, wenn es zum letzten Schwur kommt und straft lieber seine Propheten lügen, als dass er seine Liebe verrät. Es liest sich wie eine kleine Satire, wenn schon im Alten Testament der griesgrämige Jona unter seiner vertrockneten Staude einen Sonnenstich bekommt und sich über Gottes Güte ärgert. (Jona Kapitel 4)
Wo ist solch ein Gott, …. denn er ist barmherzig! Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und all unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen.
Die tiefste Stelle der Erde ist der Marianengraben im Pazifischen Ozean. Das Meer ist dort über 11000m tief. Elf Kilometer. Das ist etwa von hier bis zur Golf-Anlage in Radbruch. Das sind zu Fuß 2h 15min. Gott wirft unsere Fehler in 11km tiefes Meer und stellt am Strand ein Schild auf: „Angeln verboten!“
Durch die Taufe gehören auch wir zu Gottes Familie. Wir sind seine Kinder. Wir reihen uns ein in die Geschichte Gottes mit Israel. Wir hören seine Verheißungen und vertrauen darauf. Bis hierher hat der Herr geholfen.
Du wirst Jakob die Treue halten und Abraham die Gnade erweisen, wie du unseren Vätern vorzeiten geschworen hast.
Weil Gott bisher treu war und geholfen hat, verlassen wir uns darauf, dass er auch heute treu ist und auch morgen helfen wird und auch übermorgen gnädig ist und vergibt.
Mit diesem Staunen endet das Buch des Propheten Micha. Gott liebt zwar den Verlorenen, jedoch nicht in das Scheitern - er ist nicht in die Tragödie vernarrt – deshalb können wir hoffen, dass es gut wird. Am Ende wird alles gut, wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende! (Oscar Wilde)
Und der Friede Gottes, der größer ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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